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Autor: Simon Jacob
Ort: Salt Lake City, USA
Format: Text
Thema: Politik, Gesellschaft, Religion
Datum: 25.02.2020
Portal: www.oannesjournalism.com
Textdauer: ca. 8 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: MY IVLP... WASHINGTON – BALTIMORE – CHARLOTTE – SAN ANTONIO – SALT LAKE CITY…
MY IVLP... WASHINGTON – BALTIMORE – CHARLOTTE – SAN ANTONIO – SALT LAKE CITY…
DIE LETZTE STATION... SALT LAKE CITY...
Ich verlasse San Antonio und sitze bereits im Flieger Richtung Utah/Salt Lake City. Vielen ist die Stadt als Austragungsort der Olympischen Spiele bekannt. Wenigen ist bewusst, dass der Bundesstaat Utah das Zentrum des mormonischen Glaubens ist. Und zugleich ist es auch die letzte Station, mit dem unser IVLP (International Visitor Leadership Program) abgeschlossen wird. Das Programm führte unsere äußerst heterogene Gruppe von Washington aus nach Baltimore, Charlotte, San Antonio und nun nach Salt Lake City. Verbunden mit dem Ziel, religiös, politisch und kulturell zu begreifen, was unter dem Begriff "USA" zu verstehen ist. Und das ist wahrlich keine einfache Aufgabe, denn die USA sind ein Schmelztiegel der Kulturen, Religionen, Ansichten und Weltanschauungen. Während Mittel- und Nordeuropa eher rational sind und Südeuropa subjektiv, was wie eine unsichtbare Trennlinie auch innerhalb Europas spürbar ist, ist das nichts im Vergleich zur Vielfalt der Gefühle und Dogmen in den USA. Es kommt einem manchmal so vor, als ob in diesem Land Gegensätze sich anziehen, nur um sich dann wieder abzustoßen. Hochtechnologie trifft auf religiöse Weltanschauungen, die sich ergänzen können, aber auch nicht müssen. Die Ostküste versteht sich als das intellektuelle Zentrum, Texas als der Oberste Kommandeur, Richtung Utah hinterlässt das Christentum seine Spuren und an der Westküste, um das Silicon Valley herum, kommt man aus dem Staunen nicht heraus, wenn man den Ideen junger und kreativer Ingenieure lauscht.
Unsere Gruppe ist während der letzten drei Wochen zusammengewachsen. Marcelo, wir nennen ihn Boss Marcelino, unser Gruppenleiter, hat uns äußerst intensiv und lebhaft in die vielfältige Kultur eingeführt. Sein historisches und politisches Wissen war von unschätzbarem Wert und half uns oft, Gegebenheiten vor Ort besser zu verstehen. Vibeke, die ich aufgrund ihrer norwegischen Abstammung einfach Viking taufte, war anfangs kühl still. Ich hatte das Gefühl, vielleicht war das Teil der skandinavischen Kultur, dass sie eher darauf bedacht war, nicht aufzufallen. Melika, der ich den Titel „Queen“, also Königin gab, stammt aus Bosnien – Herzegowina. Ihr Name, welcher aus dem Semitischen herausgeleitet wird, bedeutet wirklich Königin. Melika merkte man an, dass sie in Ex – Jugoslawien Krieg erlebt hat. Etwas, das ich mit der durchsetzungsstarken Teilnehmerin gemein habe. Vladimir ist Priester, gehört der Evangelischen Kirche an und kommt aus Belarus. Im Aramäischen, die meine Muttersprache ist, sprechen wir die Priester mit „Abuna“, also „Vater“, an. Und so blieb es auch. Nach kürzester Zeit nannte ihn jeder in Gruppe nur noch Abuna. Ich erinnere mich sehr gerne daran, wie „Abuna“ es kaum abwarten konnte in Texas auf einrn Rodeo zu gehen, einen echten Sheriff zu sehen und einen Cowboyhut zu tragen. Gökcen, die wie ich ursprünglich aus der Türkei kommt, nahm ich bei unserer ersten Begegnung als menschliches „Ding“ in einem überdimensionierten und knallroten Winterparka wahr. Und nicht nur ich. Die gesamte Umgebung sprach sie auf das rote Ding an, welches überall sofort auffiel und ihr, weil ich ihren Namen nie aussprechen konnte, den Spitznamen „Ms. Red“ einbrachte. Ms. Red und ich hatten einen Riesenspaß dabei uns auf Deutsch zu unterhalten, was uns immer wieder eine nette und humorvolle Rüge Marcelos einbrachte. Alle waren während der Fahrten der Auffassung, dass die „Deutschen“ den Diskurs zu sehr dominierten. Das war schon verdammt witzig, wenn man unsere beiden Hintergründe näher betrachtete. Und schließlich war da noch Vasilik, die aus Griechenland kommt, und von mir den Titel Ms. Athens erhielt. Ich muss zugeben, ich habe es auch genossen mit ihr zu streiten. All unsere Gespräche, philosophischer Natur, haben mir viel gegeben. Ihr Intellekt lief zu Höchstform auf, wenn es um Gerechtigkeit in der Welt ging. Außerdem genoss ich es, sie zu fotografieren.
Gökcen Tamer - Uzun, Ms. Red / Marcelo Gandaria, Mercelino the Boss / Me, Simon / Melika Arifhodzic, The Queen / Vassiliki Keramida, Ms. Athens / Vibeke Moe, Ms. Viking / Vladimir Tatarnikov, Abuna
Es ist erstaunlich, dass es erst eine so weite Distanz von der eigenen Heimat benötigt, um seinen nächsten Nachbarn, mit all seinen Sorgen und Hoffnungen, besser zu verstehen. Melika zum Beispiel lebt in einem gespaltenen Land, mitten in Europa, in dem religiöse Differenzen immer noch eine Rolle spielen können. Vladimir, der einzige lutherische Priester in Belarus, kann nicht die Freiheit ausleben, die Bürger der EU genießen. Vasiliki, die pädagogisch äußerst gebildet ist und sehr empathisch agiert, ist mehr als bemüht Religion und Vielfalt über Grenzen hinweg zu vereinen. Vibeke, die stille Norwegerin, versucht den Code zu identifizieren, welcher Menschen dazu bringt, Anschläge zu verüben. Und Gökcen, die mit mir so viele Gemeinsamkeiten hat, hat womöglich die schwierigste Aufgabe von uns allen vor sich. Sie muss angehenden islamischen Theologen beibringen, Religion außerhalb des Absoluten, ausgerichtet auf die aktuelle Zeitrechnung, zu definieren. Der Islam ist eine der größten Religionen der Welt. Er wächst weltweit. Auch in den USA. Doch bringt der Glaube auch viele Menschen in einen tiefen Zwiespalt mit sich und Gott, wenn es darum geht, die Freiheit des Individuums mit dem eigenen Glauben in Einklang zu bringen. Etwas, was die vielen Stiftungen, Universitäten und Vereine in den USA, gerade wegen der starken politischen Spaltung im Land, tagtäglich gewillt sind zu tun.
Und so erinnere ich mich mit Freude und Respekt an Dr. Raymond Blanton, der an der UIW (University of the Incarnate Word - UIW -4301 Broadway San Antonio, TX 78209) in seinem Fachgebiet - " Communication Arts" Studenten aus aller Welt die Symbolik, den "Code" dessen beibringt, was Kunst der Gesellschaft vermittelt. In der Auseinandersetzung mit der rasanten technologischen Entwicklung, hat auch Kunst einen intensiven Transformationsprozess durchgemacht. Mit positiven wie auch negativen Resultaten. So sind z.B. auch Fakenews, Fake Videos, Fake Bilder... eine gewisse Art von Kunst. Aber eben in jener negativen Form, die die Gesellschaft spaltet und einen Politiker zum digitalen "Messias" erhebt, der die Kunst des "Twitterns" emotional perfekt beherrscht und die Welt in eine religiös - künstlerische Krise katapultiert hat.
Denn die Spaltung der Gesellschaft ist auch zugleich eine Krise der Kunst, die kein Wissen mehr zu vermitteln vermag, weil im Zeitalter der kurzlebigen Schlagzeilen, die uns in der Facebook - Timeline mit "Fast Food News" abspeisen, für tiefsinnige Philosophie eben keine Zeit mehr bleibt.
An Menschen und Wissenschaftlern wie Dr. Raymond Blanton, Gökcen, Vladimir, Melika, Vasiliki und Vibeke wird es liegen, einen Schlüssel (Code) zu entwickeln, um der Spaltung in der Gesellschaft, ausgelöst durch falsche Propheten im medialen wie auch politischen Kontext, etwas entgegenzusetzen.
Ja sogar sie wieder zu vereinen.
Im tiefen Glauben, dass Menschen lokal menschlich agieren, während die Elite global spaltet und allein der Macht wegen die Werte verdrängt, die im Inneren der USA, heruntergebrochen auf den Einzelnen, immer noch vorhanden sind und funktionieren.
Das durfte ich tagtäglich, im Gespräch mit den Bürgern der Vereinigen Staaten, erleben.
Danke dafür...
Simon Jacob,
Transit im Flugzeug - San Antonio/Salt Lake City,
25. Februar 2020
Vorträge – Oannes Consulting GmbH bietet verschiedene Vortragsreihen an, die sich mit gesellschaftsrelevanten Themen beschäftigten. Hier geht es zum Vortragsportal
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