Der Artikel ist Teil einer mehrteiligen Serie mit Berichten und Videos über die Situation in Nordsyrien/Nordirak, entstanden im Frühjahr 2018 - Der Auftaktartikel kann HIER nachgelesen werden.
Bagdad – Grüne Zone : Jawad Al – Bulani: „Danke Deutschland“
Am Nachmittag erreichen wir endlich Bagdad und das gut bewachte Regierungsviertel. In der Vergangenheit gab es mehrfach Anschläge auf das Beamten- und Politikerviertel durch Selbstmordattentäter. Daher ist es mehr als verständlich, dass alle Besucher, so auch unsere Delegation, entsprechende Sicherheitskontrollen passieren müssen. Zu Gast sind wir bei Jawad Al – Bulani, dem früheren Innenminister, der nun dem Komitee für Wirtschaft und Investment vorsteht und dem man politische Ambitionen als kommenden Spitzenpolitiker im Irak nachsagt.
Nach einer herzlichen Begrüßung im beeindruckenden Anwesen des ehemaligen Ministers und parteiunabhängigen Politikers, beginnt das Gespräch zunächst mit einem immensen Dank an die deutsche Regierung. Die Bestrebungen der Bundesrepublik Deutschland Polizeieinheiten und Militär auszubilden, Güter zur Verteidigung des Landes in den Norden zu entsenden sowie die Stationierung von Ausbildern, hätten mit dazu beigetragen, den Irak zu stabilisieren. Eine Sichtweise, die nicht jeder, gerade bezugnehmend auf die Waffenlieferung an die Kurden im Norden, so an den Tag legt. Die aber dennoch, auch das konnte ich mehrfach selber vor Ort überprüfen, den Tatsachen entspricht.
Das weitere Augenmerk richtete sich auf den Exodus der indigenen Bevölkerung wie der Christen und der Jesiden. Besonders die stark schrumpfende Population der christlichen Assyrer bereitet Bagdad Sorgen. Doch ist die immer noch anhaltende Abwanderung einer der wirtschaftsstärksten und von hoher Bildung geprägten Schichten des Vielvölkerstaates von der Sicherheit abhängig, die in der Vergangenheit nicht gewährleistet werden konnte. Im Zuge dessen hat der Irak massiv an qualifiziertem Personal verloren, welches für den Aufbau des Landes dringend nötig wäre. Al Bulani ist selbstverständlich bewusst, dass es ohne Sicherheit und eine stabile Ordnung keine Zukunft für die assyrischen Christen, die Jesiden sowie viele andere Minderheiten gibt. Der Indoktrination einzelner Bevölkerungsgruppen, die letzten Endes zu Extremismus und der Vertreibung der nicht–sunnitischen Bevölkerung führt, wird man auch nicht mit Waffengewalt entgegentreten können. „Der Irak muss aus seinen Fehlern lernen“, so die Kernaussage. Dazu gehört auch die absolute Gleichbehandlung aller Bürger des Landes, unabhängig ihres Glaubens oder ethnischen Herkunft. Gepaart mit wirtschaftlichen Perspektiven. Und hier, so listet der Vertreter des Komitees für Wirtschaft und Finanzen auf, bietet der Irak ausländischen Unternehmen und Investoren zahlreiche Chancen. Interessanterweise nennt der ehemalige Minister die Digitalisierung des Landes als wichtigsten Faktor, wenn es um die zukünftige Wirtschaft des Landes geht. „Wir haben viele kreative und junge Menschen im Land, die durch die Digitalisierung mit dem Rest der Welt konkurrieren könnten“, so die logische Schlussfolgerung. Auch der Bereich Automotive, abzielend auf den nahöstlichen Markt, Medien, Energie, Konsum und Bau spielen eine gewichtige Rolle. Der Bereich Agrartechnologie nimmt eine besonders wichtige Stellung ein, wenn es um die fruchtbaren Regionen in der Ninive – Ebene geht. Wasser, welches den beiden Flüssen Euphrat und Tigris entnommen wird, bewässert ein Delta, das durch eine effizientere Technologie ergiebiger sein und so den Irak weniger abhängig von Importen machen könnte.
Zum Ende des sehr langen Gespräches vereinbaren wir, nach sorgfältiger Planung und Konsultation mit Interessierten in Deutschland, eventuell eine Wirtschaftsdelegation in den Irak zu entsenden, um Möglichkeiten mit dem Mittelstand auszuloten.
Simon Jacob,
28. Februar 2018, Bagdad /Zentralirak
Buchtipp:
Seit Jahren reist Simon Jacob durch Länder wie Syrien, Irak oder Iran. Als Angehöriger eines wichtigen Clans gelangt er an Orte, die für andere nie zuganglich waren. Dort spricht er mit Menschen, immer auf der Suche: der Suche nach Frieden, auch seinem eigenen Inneren. Seine Reise schildert auch die Schrecken dieser Kriegsgebiete. Aber mehr noch zeigt dieses Buch, dass und wie Friede wirklich möglich ist. Eine Botschaft, die vor allem in diesen Tagen Mut und Hoffnung macht und motiviert, zu kämpfen für eine bessere Zukunft und für etwas, was Simon Jacob ausgerechnet im Irak und in Syrien wiedergefunden hat: Menschlichkeit.
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