IS-Terror im Flüchtlingslager - VON JÜRGEN RAHMIG
FREITAG, 14. SEPTEMBER 2018 – REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER
Todesdrohungen, Folterungen, Korruption. Viele Bewohner des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Ägäisinsel Lesbos leben in großer Angst. Sie werden bedroht von islamistischen Gruppen, mutmaßlich IS-Mitglieder, die in dem Lager immer offener die Kontrolle übernehmen. Verfolgt werden von ihnen insbesondere Kurden und Jesiden. Im Camp werden IS-Parolen an die Wände gesprüht und die Ideologie der Terrormiliz verbreitet
MORIA/REUTLINGEN. Ein ehemaliger IS-Kämpfer soll als Emir im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos die Befehle geben. Das sagt der Aktivist Rafat Al-Hamoud, der selber als Flüchtling einige Zeit im Camp verbracht hatte. Der Augsburger Journalist, Nahostexperte und Friedensaktivist Simon Jacob hat mit ihm gesprochen, wie er gegenüber dem GEA berichtet. Jacob ist gerade von Lesbos zurückgekehrt und erschüttert von dem, was er gesehen hat und was ihm dort erzählt wurde.
„Deir zor (Stadt) bleibt“, lautet die Übersetzung einer Parole an der Wand in der Nähe des Lagereingangs, sagt Jacob. „Dazu muss man wissen, dass die syrische Stadt, auf die sich dieser Spruch an der Lagerwand bezieht, eine Hochburg des IS in Syrien war.“ Natürlich, so Jacob, würde niemand schreiben, „der IS bleibt“. Aber indirekt sei eben genau das damit gemeint. Im Lager gibt es offensichtlich Anhänger des IS, als Flüchtlinge getarnt. Den Erzählungen von Flüchtlingen nach gibt es dort eine interne islamistische Struktur. „Das alles macht die Situation für diejenigen, die wirklich von Not und Leid betroffen sind, noch gefährlicher.“
Die Flüchtlinge im Lager stecken in einem Dilemma
Die Lager auf den griechischen Inseln sind hoffnungslos überfüllt, und die einheimische Inselbevölkerung ist mit ihrer Geduld am Ende. Am schlimmsten sind die Zustände auf Lesbos unweit der türkischen Küste. Speziell im Lager Moria sind sie katastrophal. Derzeit leben knapp 9 000 Menschen im Camp Moria, das ursprünglich für rund 3 000 Personen konzipiert war.
Der Zugang zu fließendem Wasser ist begrenzt. Auf 72 Personen kommt eine funktionierende Toilette, auf 84 Personen eine Dusche. Die Abwässer können nicht mehr ordentlich beseitigt werden und es stinkt fürchterlich. Kinder, Schwangere und Menschen mit körperlichen und psychischen Erkrankungen müssen monatelang warten, ehe sie überhaupt mit einem Beamten der griechischen Asylbehörde sprechen und eventuell klären können, wie es weitergeht. Das berichtet die Hilfsorganisation Oxfam. Viele Flüchtlinge haben keinen Zugang zu rechtlichem Beistand. Die Situation ist besonders für Frauen bedrohlich, weil das Risiko, Opfer von sexueller Gewalt und Missbrauch zu werden, mit der Enge und Überbelegung des Lagers erheblich ansteigt.
Man will dem Staat noch 30 Tage geben, dann soll das Lager geschlossen werden, erklärte kürzlich die Regionalgouverneurin der Region, Christiana Kalogirou. Der Bürgermeister von Lesbos, Spyros Galinos, warnte eindringlich, die Geduld der Einwohner habe »ihre Grenzen erreicht«, es drohe eine soziale Explosion. Die Flüchtlinge im Lager sind nicht nach Ethnien und Religionen getrennt. So verlagern sich die Kämpfe aus Syrien oder dem Irak direkt ins Lager.
Immer häufiger kommt es in Moria zu Gewaltausbrüchen. Das Camp erlangte traurige Berühmtheit, als dort vor wenigen Monaten kurdische und jesidische Flüchtlinge Opfer islamistischer Verfolgung wurden. „Ich habe die Opfer im Camp besucht“, sagt Jacob. Mit Stöcken und Eisenstangen bewaffnete Araber hatten insbesondere kurdische und jesidische Flüchtlinge als „Ungläubige“ beschimpft und durchs Lager getrieben. Zahlreiche Menschen wurden teilweise schwer verletzt. Die herbeigerufene griechische Polizei war angesichts dieser Situation zunächst völlig überfordert.
Etwa 1 000 Menschen flüchteten aus Moria in Richtung der Inselhauptstadt Mytilene ins dortige Camp. Indizien weisen laut Jacob ganz konkret darauf hin, dass sich IS-Sympathisanten im Camp aufhalten und dieses als Drehkreuz nutzen. „Die Flüchtlinge im Lager stecken in einem Dilemma. Sprechen sie darüber, werden ihre Familien in der Heimat bedroht. Tun sie es nicht, erlangen Extremisten nur noch mehr Macht über sie.“
Augenzeugen in Moria erzählen, Angreifer während der Gewaltausbrüche seien Anhänger der IS-Terrormiliz gewesen. Man muss davon ausgehen, dass Hunderte von solchen »Flüchtlingen« im Lager IS-Anhänger und –Sympathisanten sind und die verbrecherische Ideologie weiterverbreiten wollen.
Für 500 Euro kann man Moria in Richtung Athen verlassen
„Nach all den Jahren im Nahen Osten sehe ich keine Lösung darin, wie bisher weiter zu machen. Wir brauchen kein deutsches Einwanderungsgesetz. Europa in der Gänze muss ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen, das bereits im Vorfeld die Gesinnung, Absicht und Not eines jeden Flüchtlings in Erfahrung bringt. So bitter es für manche auch klingen mag“, sagt Simon Jacob, aber „ohne ein vernünftiges Programm, das die Gesamtbevölkerung akzeptiert, laufen wir Gefahr, unsere Gesellschaft weiter zu spalten. Und damit spielen wir nicht nur den Demagogen in die Hände. Wir schaden dadurch auch jenen Flüchtlingen, die ein freies Leben ohne Angst suchen.“
„Ihr braucht ein europäisches Einwanderungsgesetz“, sagt auch Rafat AlHamoud. Vor zwei Jahren war der sunnitische Syrer als Flüchtling über die Ägäis nach Lesbos gelangt. Er verließ eine Hölle, um in der nächsten zu landen. In Syrien war er mehrfach vom Regime und vom IS entführt und misshandelt worden. Was er Jacob vor laufender Kamera erzählt, kann dieser zuerst fast nicht glauben. Laut der Aussage des heutigen Aktivisten der Hilfsorganisation „Humans4humanity“, in der er sich für Migranten einsetzt, hätten ehemalige IS-Kämpfer im Camp eine Art Kalifat errichtet. Mit einem Scharia-Gericht, einer Folterkammer in den sanitären Einrichtungen und strengem Regime. Diese Leute treten im Camp unter Pseudonymen auf, aber manche Flüchtlinge erkennen sie.
Opfer berichten davon, dass es Pläne gebe, die Insel zu übernehmen. Die Rede sei auch von der Unterstützung durch „Onkel Erdogan“. Der junge Mann zeigt Beweise für die Misshandlung von Flüchtlingen auf seinem Smartphone und weist darauf hin, dass IS-Sympathisanten mit versteckten und doppeldeutigen Symbolen wie jenes am Lagereingang kommunizieren. Sie sprühen die Kampfnamen von Extremisten auf Wände innerhalb und außerhalb des Lagergeländes.
Jacob trifft im Lager junge Flüchtlinge. Sie sind von „Mitgliedern des IS“ entführt und gefoltert worden. Auch bei ihnen handelt es sich hauptsächlich um junge kurdische und jesidische Männer. Sie leben aus Furcht vor den Terroristen nicht mehr im Camp, sondern außerhalb davon am Strand und übernachten dort im Freien. Die Lagerverwaltung ist offensichtlich nicht in der Lage, sie und andere zu schützen. Eines der jungen Opfer, gerade mal 19 Jahre alt, zeigt Jacob seinen Rücken. Der junge Jeside sei massiv mit einem Schlauch gequält worden, sagt Jacob. Auf seinen Kopf seien 1 000 USDollar Prämie ausgesetzt worden, erzählt ihm die Männergruppe. Das sei ihm auch durch eine anwesende Anwältin bestätigt worden, die Jacob begleitete.
Die Rede ist in dem Gespräch auch von Korruption. Behördenvertreter im Lager nehmen offenbar Geld. „Für 500 Euro kann man Moria in Richtung Athen verlassen“, sei ihm erzählt worden. Athen ist das Drehkreuz – auch Richtung Deutschland. Jacob konnte diese Aussagen vor Ort nicht überprüfen. Doch warum sollten ihn diese Männer anlügen?
Man sieht das Resultat der gescheiterten Einwanderungspolitik
Griechenland und seine Behörden sind überfordert. So nehmen die Spannungen zwischen neuen und alten Lagerinsassen zu. Hinzu kommt, dass diejenigen, vor denen viele Menschen geflohen sind, im Lager nun wieder auf sie treffen. Eben von einer Hölle in die nächste, wie es Rafat AlHamoud beschreibt. Das alles zeugt von Europas Versagen in der Flüchtlingspolitik. „Verlierer ist angesichts dieser Situation die Mitte der Gesellschaft in Europa, die den Geflohenen helfen möchte.“ Sie habe zunehmend mit der Unfähigkeit zu einer koordinierten Einwanderungspolitik in Europa zu kämpfen.
„Die negativen Folgen dieser Politik zeigen sich in Form kriegserprobter und hochkrimineller Clan-Strukturen in den europäischen Metropolen“, sagt Jacob. „Und man sieht das Resultat der gescheiterten Einwanderungspolitik mit all den Verwerfungen politischer wie gesellschaftlicher Natur beispielsweise in Chemnitz oder Berlin.“ Es sei an der Zeit zu handeln. „Es wird Zeit für eine gemeinsame europäische Einwanderungspolitik, um den populistischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten.“ (GEA)
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