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Autor: Daniela Hofmann
Ort: Wildbad Kreuth, Deutschland
Kategorie: Artikel
Rubrik: Technologie, Gesellschaft, Politik
Datum: 29./30.04.2015
Portal: www.oannesjournalism.com
Textdauer: ca. 10 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Internationale Tagung zum Thema Cyber-Jihad in Wildbad Kreuth
Internationale Tagung zum Thema Cyber-Jihad in Wildbad Kreuth
Am 29./30.4.2015 lud die Hanns-Seidel-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland zu einer international hochkarätig besetzten Tagung zum Thema Cyber-Jihad - Ziele, Dimensionen, Strukturen und Bekämpfung einer globalen Herausforderung, ein.
Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Frau Dr. Ursula Männle, Staatsministerin a.D., die Teilnehmer und dankte dem ZOCD für die Mitwirkung an dem Kongress. Sie erinnerte daran, dass man sich vor einem Jahr an derselben Stelle zum Thema "Syrien" traf und stellte fest, dass sich der Krieg von der konventionellen Kriegsführung zu einer hybriden Kriegsführung (Boden/WWW) weiterentwickelt hat. Was das Ausrufen eines Cyber-Kalifats und das Hinaustragen des "hl. Krieges" für Folgen für Deutschland und Europa hat und welche Strategien entwickelt werden um dem zu begegnen, waren u.a. Thema in den anschließenden Diskussionsrunden.
Von der Propaganda zur realen Verfolgung religiöser Minderheiten
Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, Präsident der International Society for Human Rights, verglich den islamischen Fundamentalismus mit der Ideologie der Nationalsozialisten. In beiden Fällen gäbe es Parallelen. So würde es jedes Mal religiöse Minderheiten treffen, die man versucht mit barbarischen Mitteln auszulöschen. Selbst wenn der IS im Denken rückwärtsgewandt sei, so würde er doch modernste Technik einsetzen um seine Ziele zu erreichen.
Vom Web 2.0 an die Front-Linie
Ein Schwerpunktthema der Veranstaltung war der Einsatz moderner Medien durch den IS. Simon Jacob, Vorsitzender des Zentralrates Orientalischer Christen in Deutschland erklärte, dass die mediale Aufarbeitung seitens der Terrororganisationen bereits 2004 begann, als Al Kaida eine Geisel ermordete und dies über Fernsehen und Internet verbreitete. Diese Aktion diente dem IS als Blaupause. 2007 prophezeite der Vize-Chef von Al Kaida Sawahiri, dass sich der Konflikt vom Boden weg verstärkt in Richtung Medien bewegen werde. Das war für Europa damals jedoch schwer nachvollziehbar, obwohl bereits ein Jahr später diese Problematik vom bayerischen Innenminister Joachim Herrmann thematisiert wurde. Mit dem Erstarken des IS wurde der Cyber-Terror auf ein neues Level gehoben. Der Eindruck der Schreckens-Videos die der IS verbreitet, hinterlässt vor allem bei den Menschen vor Ort seine Spuren. Sie haben Angst und verlassen ihre Heimat, so dass Gebiete dem IS teilweise kampflos in die Hände fallen, so Simon Jacob.
Das verstärkte Auftreten solcher Videos sei eine Folge der rasanten technischen Entwicklung und des Preisverfalls. Technologien, die noch vor ein paar Jahren eine Menge Platz brauchten und tausende von Dollar kosteten, sind heute in einem Smartphone und einer Drohne für wenige hundert Euro enthalten. Wie einfach das heutzutage ist, wurde von Simon Jacob eindrucksvoll vor Ort demonstriert. Die mitgebrachte Drohne in Form eines Quadrokopters ist mit Stabilisatoren ausgestattet. Mit der entsprechenden Software kann sie über das Smartphone präzise gesteuert werden. Ausgestattet mit einer HD-Kamera lassen sich so gestochen scharfe Bilder auf das Smartphone übertragen. Was Simon Jacob hier offen vorführt, wird im syrisch-irakischen Krisengebiet im Verborgenen gemacht. Sei es um die Topgraphie zu erkunden oder den Gegner auszuspionieren. Sharbil Matty, ehemaliger Direktor von Suroyo TV, war die Tage erst mit Simon Jacob in der Gegend. Er bestätigt, solche Drohnen dort schon gesehen zu haben. Der Kostenpunkt des ganzen Equipments liegt bei derzeit rund 600 Euro.
"Die Rechenkapazität und der Terrorismus liegen in Relation"
Das Highspeednetz im Nahen Osten funktioniere besser als in Europa und je günstiger und schneller die Rechenkapazität sei, umso schneller und effizienter sei der Terrorismus. Die Folge davon ist noch mehr Cyber-Krieg. Das Internet ist jedoch nicht aufhaltbar und macht nicht vor unseren Kinderzimmern halt und die Auswirkungen der IS-Propaganda steigen in Europa. Das ist eine neue Herausforderung der sich Europa erst stellen müsse.
Doch die junge Generation im Nahen Osten beginnt sich dem entgegenzustellen und versucht ihrerseits die Medien als taktisches Mittel zu nutzen, indem sie Erfolge gegen den IS medial aufbereitet. Dadurch werde die psychologische Kriegsführung des IS durchbrochen und ihm der Nimbus der Unbesiegbarkeit genommen.
Software und Darknet spielen eine wichtige Rollte
Was für eine Rolle die Software dabei spielt erläuterte Omar Barak, Intelligence Management Specialist bei Maisha Consulting. Jeder der im Internet unterwegs ist, hinterlässt Spuren, die von Fachmännern mit Hilfe einer speziellen Software verfolgt werden können - bis zum Ursprung. Wie Spuren im WWB verfolgt werden können, zeigte er anhand der Verfolgung von GPS-Daten von Wildtieren auf.
Schwieriger zu kontrollieren ist das Darknet. Im Darknet werden, im Gegensatz zu den "freien" Netzwerken in die sich jeder einlocken kann, die Verbindungen unter den Teilnehmern manuell hergestellt. Damit ist es sicherer und ein fremder Zugriff wird erschwert. Gerade solche, oftmals kleine, Communities können aber eine Gefahr darstellen, da sie im besten Fall unbekannt und damit nicht zu kontrollieren sind.
Cyber-Jihad - eine globale Herausforderung
Wie sind nun aber die Erfahrungen des Westens und welche Gegenstrategien müssen entwickelt werden? Prof. Dr. Thomas Flichy von der französischen Militärschule Saint-Cyr erklärte, die Antwort könne keine rein technische sein, sondern müsse geopolitisch und kulturell erfolgen. Durch die geschickte Inszenierung von Tötungen werden zum einen Menschen angezogen, zum anderen Angst und Schrecken verbreitet. Der IS sendet und twittert mittlerweile nicht nur in Arabisch und Englisch, sondern auch auf Französisch. Damit erweckt er auch in weiten Teilen Afrikas Aufmerksamkeit. Facebook und Twitter sind weltweit verbreitet und juristisch schwer zu belangen. Die Angst vor dem Terror, sowohl durch die Bedrohung über das Internet, als auch durch die reale Bedrohung durch Anschläge, lähme die westliche Diplomatie, so Flichy. "Wir denken nur noch in Kriegsszenarien, nicht mehr in Verhandlungsszenarien." Man müsse wieder anfangen an den Frieden zu denken und zu verhandeln. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko stellen die europäischen IS-Rückkehrer dar. Konfrontiert mit der Bedrohung begebe sich ein Teil der westlichen Gesellschaft auf die Suche nach seiner eigenen Identität. Mit dem Ergebnis, dass gerade bei denen, die nicht gefestigt sind, nicht nur die Islamfeindlichkeit wächst.
Wie schwierig das Thema Verhandlungen ist, erläuterte Dr. Jihad Makdissi, ehemaliger Sprecher des Auenministers der Syrischen Arabischen Republik am Beispiel Syrien. Mit wem wolle der Westen verhandeln? Auf Grund seiner geschichtlichen Entwicklungen birgt Syrien ein großes Konfliktpotential. Viele religiöse und politische Gruppierungen stehen sich mit unterschiedlichen Ansichten gegenüber. Die sich anschließende Diskussionsrunde zeigte deutlich, wie unterschiedlich die Meinungen auch hier im Westen sind und wie schwer es sein wird Verhandlungen zu führen, um eine friedliche Lösung zu finden.
Der Westen im Fadenkreuz des IS-Cyber-Terrors
Sabina Wolf, Journalistin des Bayerischen Rundfunks zeigte auf, dass die Angriffe auf Internet-Seiten und mediale Einrichtungen qualitativ besser würden. Sie erinnerte an die Anschläge in Paris und die danach folgenden Cyber-Attacken auf das Central Command der Vereinigten Staaten und den französischen Sender TV5 Monde. Hier ist es den Hackern des IS nicht nur gelungen auf die Seite einzudringen und eine Botschaft zu hinterlassen, sondern es wurde den Mitarbeitern jegliche Kontrolle über den Sender entzogen - und das über einen längeren Zeitraum. Mittlerweile habe es Angriffe auf rund 19.000 Internetseiten gegeben.
Dass nicht nur das Internet betroffen ist sondern auch die Wirtschaft erläuterte Michael George von Cyber-Allianz-Zentrum des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Viele Betriebe sowie große Teile der Infrastruktur seien unzureichend geschützt. Stromversorger, Krankenhäuser oder Verkehrsleitsysteme würden sich immer mehr untereinander vernetzen. Teilweise entsprechen die Systeme nicht mehr den modernen Sicherheitsstandards und bieten ein leichtes Ziel für Angreifer. Hier sieht George einen dringenden Handlungsbedarf. Es spiele keine Rolle, ob es IS-eigene Häcker sind oder ob es sich um IT-Spezialisten handelt, die vom IS über das Darknet angeworben wurden und mit diesen Machenschaften Geld verdienen.
Möglichkeiten und Grenzen von Präventions- und Integrationsprogrammen
Ein weiterer Block war dem Thema Prävention und Integration gewidmet. Anke Mönter, Leiterin des Referates Prävention im Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, stellte das aktuelle NRW-Präventionsprogramm "Wegweiser" vor. Hier stehen im Besonderen islamkundige Muslime für Fragen und Probleme zur Verfügung.
Die Aufgaben und Probleme im Bereich der Integration von Flüchtlingen wurden vom Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung Martin Neumeyer thematisiert.
Fazit
Der zweitägige Kongress war mit Referenten aus 8 verschiedenen Ländern hochkarätig besetzt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der IS mit modernsten Mitteln versucht seine rückwärtsgewandte Ideologie durchzusetzen und sein Bestreben noch verstärken wird. Dieser Herausforderung hat sich ganz Europa zu stellen.
Unser besonderer Dank gilt Dr. Philipp Hildmann und seinem Team für die hervorragende Organisation.
Daniela Hofmann
Weiterführende Links:
Gesamtvortrag von Simon Jacob:
Bericht von Michaela Koller auf kath.net:
Artikel über den Kongress in der FAZ:
Homepage der Hanns-Seidel-Stiftung:
Vorträge – Oannes Consulting GmbH bietet verschiedene Vortragsreihen an, die sich mit gesellschaftsrelevanten Themen beschäftigten. Hier geht es zum Vortragsportal
Anfragen sind zu richten an: Oannes Consulting GmbH, Frau Daniela Hofmann, Rechte Brandstr. 34, 86167 Augsburg, Tel. 089 24 88 300 50, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!