Ort: Deutschland
Die Wurzeln des modernen Terrorismus
Es war der 11.09.2001 als die gesamte Welt sprichwörtlich den Atem anhielt. Das „World Trade Centre“ im Herzen von Manhattan und ein Symbol der Stadt New York fiel brennend in sich zusammen, nachdem zwei Flugzeuge in beide Türme rammten. Die einstürzenden Türme kosteten zahlreiche Menschenleben und brannten sich in das kollektive Gedächtnis der USA, wenn nicht gar der ganzen Welt ein. Ein besonderer Faktor für den Schock war die Erkenntnis, dass es kein tragisches Unglück war, wie anfangs noch gedacht, sondern ein von Menschen begangener Anschlag, ein Massenmord an unschuldigen Menschen. Medien, Politiker und Wissenschaftler stürzten sich in Debatten und Analysen über dieses vermeintlich neue Phänomen, den Terrorismus.
Seit diesem 11.09.2001 wurde der Terrorismus zu einer der größten Herausforderung für die Welt, wie es der bekannte deutsche Terrorexperte Prof. Peter Neumann formulierte. Dabei war der Terror nie wirklich weg! Er existierte bereits länger, als manche sich das vorstellen können, unter verschiedenen Ausdrucksformen und getrieben durch unterschiedliche Ideologien. Was charakterisierte die neue Dimension des Terrors? Die extreme Gewalt? Viel präsenter wurde der muslimische Glaube der Attentäter analysiert und diskutiert. Reicht das Lesen von Suren, um sich einen Akt solcher Gewalt auszudenken? So manche Religionsgegner wie Richard Dawkins oder Sam Harris fühlten sich innerhalb der Debatte bestätigt, dass Religion generell, besonders der Islam, Gewalt und schließlich auch Terrorismus hervorrufen kann - und es auch tut.
Die Analysen vergessen jedoch häufig Motivation und Methodik des Terrorismus genauer zu betrachten. Gerade hier wird deutlich, dass die lange geglaubte These (vor 9/11) Armut sei für Terror verantwortlich, nicht haltbar ist. Bekannte Terroristen wie Andreas Baader (RAF), Ernesto „Che“ Guevara oder auch Osama bin Laden wuchsen in wohlbehüteten Verhältnissen auf. Diese Beispiele zeigen auch, dass Terror nicht homogen ist und jede Gruppe einzeln im sozialen und historischem Kontext betrachtet werden muss. Die radikale Linke der 1960 Jahre orientierte sich ideologisch am damaligen Zeitgeist, aber ihre Terror- Methoden waren bereits ein Jahrhundert alt!
Der Anstoß für die erste moderne Terrorwelle wurde im Europa des 19 Jahrhunderts gelegt. Es war die Französische Revolution in der die Jakobiner als erste moderne Terrorgruppe die Bevölkerung in Schrecken versetzte und die Gewalt als Mittel zum Zweck nutzten. Den Kampf gegen die Aristokratie und den Klerus setzte anschließend Napoleon in ganz Europa fort – und scheiterte militärisch. Doch der Wunsch nach Befreiung von der alten europäischen Ordnung, den Dogmen und der Macht der Kirche überstand Napoleons Niederlage und setzte in eine Epoche zahlreicher Revolutionen in ganz Europa fort. Das Scheitern der bedeutenden Revolutionen 1848 in den deutschen Landen und Italien, sowie die Niederschlagung der Dekabristen in Russland 1825 im russischen Reich, radikalisierten zahlreiche junge Demokraten, Sozialisten und Anarchisten. Carlo Piscane, Johann Most und Sergey Netchaev lieferten die methodischen „Anleitungen“ für Terroranschläge auf den Staat, die Polizei und alle politischen wie vermeintlichen Gegner. Akteuren wie Netchaev ging es nicht mehr um Reformen, Freiheit oder Demokratie, sondern um die völlige Zerstörung der Gesellschaft. Aus Chaos, Gewalt und Krieg sollte sich eine neue menschliche Klasse erheben. Besonders Russland und Frankreich wurden vom Terror heimgesucht. Mit der „Narodnaja Volja“ (dt. Volkswille), einer von Netchaevs Hauptwerk „Katechismus der Revolution“ inspirierten russischen Terrorgruppe, erreichte die Terrorwelle 1881 ihren Höhepunkt. Damals gelang ihr die Ermordung des Zaren Alexander II. 1894 verübte zudem ein junger Anarchist namens Emile Henry einen Anschlag auf das Pariser Café „Terminus“, bei dem ein Gast starb und mehrere teils schwer verletzt wurden. Henry zeigte keine Reue und hatte gezielt den Tod von unschuldigen Bürgern gesucht.
Die genannten Terroristen waren alle Vertreter der Idee von der „Propaganda der Tat“, wodurch dem Gegner durch brutale Angriffe massiv geschadet wird. Nebenbei soll die „Propaganda der Tat“ neue Anhänger für die jeweilige Gruppe gewinnen. Ohne diese ideologischen Wurzeln konnten spätere Terrorgruppierungen wie die „Red Brigades“ in Italien, Black-Panther in den USA oder auch die RAF (auch Baader-Meinhof Gruppe), ab den 1960er Jahren, nicht entstehen. Muslimische Extremisten haben den modernen Terror somit nicht erfunden. Es waren mehr die „modernen“ westlichen Ideen, die den Terror in die muslimische Welt brachten.
Maximilian Feldmann
München, 10.10.2018
Buchtipp:
Seit Jahren reist Simon Jacob durch Länder wie Syrien, Irak oder Iran. Als Angehöriger eines wichtigen Clans gelangt er an Orte, die für andere nie zuganglich waren. Dort spricht er mit Menschen, immer auf der Suche: der Suche nach Frieden, auch seinem eigenen Inneren. Seine Reise schildert auch die Schrecken dieser Kriegsgebiete. Aber mehr noch zeigt dieses Buch, dass und wie Friede wirklich möglich ist. Eine Botschaft, die vor allem in diesen Tagen Mut und Hoffnung macht und motiviert, zu kämpfen für eine bessere Zukunft und für etwas, was Simon Jacob ausgerechnet im Irak und in Syrien wiedergefunden hat: Menschlichkeit.
Bestellbar über