Vom analogen zum digitalen Propagandakrieg
1251 zog der Prinz und Bruder des mongolischen Großkahns Möngke, Hülegü, Richtung Bagdad, um das muslimische Reich der Abbasiden, welches einst das „Goldene Zeitalter“ des Islams markierte, mit Feuer und Schwert aus der Landschaft zu tilgen. Al Mustas `sims, der herrschende Kalif, unterschätzte die Horden der Mongolen nicht nur militärisch. Dieser rechnete auch nicht mit einer so brachialen, aber sehr effektiven Propagandastrategie, die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen und Terrororganisationen wie dem sogenannten „Islamischen Staat“ Jahrhunderte später als Blaupause dienen sollte.
Die Mongolen drangen zu jener Zeit mit drei gigantischen Heeren in das Kerngebiet Mesopotamiens ein, was allein schon für immensen Eindruck gesorgt haben muss. Interessanterweise hatten sich ihnen Georgier, Armenier und Kreuzritter angeschlossen. Chinesische Ingenieure lieferten das technische Knowhow, um Belagerungs- und Angriffswaffen auszutüfteln. Dazu zählten Rammböcke, Katapulte wie auch Türme, um die gut gesicherten Befestigungen stürmen zu können.
Doch war all dies, das technische Knowhow, die multiethnische Zusammensetzung der Mongolenhorde und die schier unzählbare Menge an wilden Reitern, die strategisch und taktisch klug handelten, nicht die einzige Waffe im Kampf um Macht und Territorium.
Die Strategen der Mongolen verstanden es zum Entsetzen der Belagerten hervorragend das zum Einsatz zu bringen, was wir heute einen „Asymmetrischen Propagandakrieg“ oder auch „Psychologische Kriegsführung“ nennen. Noch bevor ein Pfeil den Gegner traf, ein Katapult mit einem gewaltigen Steinregen die Gebäude des Gegners zertrümmerte oder ein monströser Rammbock mit immenser Wucht sich anschickte stolze und ehrwürdige Stadttore zu zertrümmern, verbreitete man durch gezielte Schreckensmeldungen Angst und Zweifel bei der eingeschlossenen Bevölkerung.
Köpfe der Gegner wurden in die Befestigungen katapultiert. Festungen, die sich nicht ergaben, wurden geplündert, dem Erdboden gleichgemacht, die männliche Bevölkerung massakriert und als besondere Mahnung an die verbliebenen Gegner und um diese im Vorfeld zur Aufgabe zu zwingen, wurden Frauen jeden Alters, vom kindlichen Mädchen bis hin zur Greisin, bestialisch und für alle ersichtlich geschändet.
Zeitzeugen berichteten: „Sie durchstreiften die Stadt wie hungrige Falken, welche auf einen Schwarm Tauben einstürzen, oder wie grimmige Wölfe, die Schafe anfallen.“
Nun gab es natürlich zur damaligen Zeit kein Internet, welches die schrecklichen Taten der mongolischen Horden zum Gegner tragen konnte. Doch reichte es in den meisten Fällen aus einige Menschen am Leben zu lassen, um sie mit der klaren Botschaft zum Feind zurückzuschicken, dass keiner sicher ist.
Nichts und niemand. Denn die primäre Forderung war: „Ergebt Euch oder wir zerstören Euch.“
Die Methode der Mongolenfürsten mag brachial gewesen sein, war aber dennoch an Effektivität nicht zu überbieten und entwickelte sich in den Jahrhunderten zu etwas, was wir inzwischen aufgrund des rasanten technischen Fortschrittes auf unseren Smartphones entdecken und im Kern viel mit dem zu tun hat, was wir als „Guerilla-Marketing“ oder eben den „Digitalen Asymmetrischen Krieg“ bezeichnen.
Geschichtlich betrachtet gibt es genügend Anhaltspunkte die vermuten lassen, dass die jetzigen Konflikte im digitalen Raum, aufgrund des exponentiellen Anstiegs der Rechenleistung und der Miniaturisierung der Sensorik, explosionsartig zugenommen haben.
Im Ersten Weltkrieg war es kein geringerer als Max Freiherr von Oppenheim, Diplomat im Dienste des Deutschen Kaiserreichs, der im offiziellen Auftrag eine „Nachrichtenzentrale für den Orient“ mit 20 Nebenstellen aufbaute, um, nachdem er den Sultan überredet hatte, den „El Dschihad“, den „Heiligen Dschihad“, gegen die ungläubigen Engländer und Kolonialisten in Ägypten, Persien, Afghanistan und Indien auszurufen. Neben dem Verteilen von Flugblättern, welche auch aus Flugzeugen abgeworfen wurden, wurde auch eine Postille gedruckt, die gezielt zum „Dschihad“ und „Widerstand“ aufrief. Auch Filme für propagandistische Zwecke sollten folgen.
Im Zweiten Weltkrieg bediente sich das Naziregime einer neuen medialen Waffe, um die Massen zu beeinflussen: dem Volksempfänger und der Filmindustrie. Kolossal in Szene gesetzte Produktionen sollten den Rassenwert der Arier unterstreichen.
1964 wurde der „Tonkin – Zwischenfall“ im Golf von Tonkin in den USA medial als Grund inszeniert, um sich in den Vietnamkrieg zu stürzen, aus dem die Vereinigten Staaten, kriegsmüde und als Verlierer, 1973 wieder abzogen. Der Zwischenfall vor der Küste Nordvietnams, bei dem angeblich zwei nordvietnamesische Schnellbote ein US – Kriegsschiff angegriffen hätten, erwies sich als inszeniert und falsche Propaganda. Heute würden wir von „Fakenews“ oder vielleicht sogar von „alternativen Fakten“ sprechen.
Weitere Beispiele für „Fakenews“ oder den Auswirkungen medialer Schreckensmeldungen sind:
Der zweite Golfkrieg von 1990 – 1991, wo vor der versammelten UN behauptet wurde, dass irakische Soldaten in kuwaitischen Krankenhäusern Neugeborene aus ihren Brutkästen geholt hätten, um sie Sekunden später, bestialisch und grausam, gegen eine Wand zu schmettern.
Sowie der dritte Golfkrieg, der am 20. März 2003 begann und am 01. Mai 2003 offiziell für beendet erklärt wurde. Er wurde mit der Lüge legitimiert, dass das Saddam – Regime angeblich Massenvernichtungswaffen verstecken und mit Al-Qaida zusammenarbeiten würde.
Beides wurde nie belegt oder auch nur ansatzweise bewiesen.
Über die Jahrhunderte hinweg hatte sich der Umgang mit Meldungen, die entweder einen kriegerischen Akt begründeten oder durch die Schrecken des Krieges den Gegner einschüchtern sollten, innerhalb zweier fester Konstanten bewegt und nicht geändert, wenn man vom technologischen Fortschritt bezüglich der Übertragungswege absieht.
Erstens oblag es einer militärischen oder politischen Elite Nachrichten nach Gutdünken inhaltlich zu verbreiten. Zweitens war eben nur jene Elite in den meisten Fällen in der Lage, die Verbreitung gezielt zu kontrollieren und zu steuern.
Doch all dies änderte sich mit der technologischen Revolution und nahm ihren Anfang mit der brutalen Inszenierung einer Hinrichtung am 11. Mai 2004, ausgeführt durch den Al-Qaida Top Terroristen Abu Musab az-Zarqawi, welche auf unzugängliche Server in Malaysia hochgeladen wurde und die exakt das kopierte, was die Mongolen 1251 ebenfalls als Abschreckung nutzten; nur eben viel effektiver, da sie in kürzester Zeit millionenfach verbreitet wurde und niemand die Streuung kontrollieren konnte.
„Digitaler Asymmetrischer Konflikt“ in der modernen Gesellschaft
Im Februar 1993, kurz nachdem Bill Clinton Präsident der Vereinigten Staaten geworden war, erklärte dieser in Anwesenheit des Vizepräsidenten Al Gore in einem sogenannten „Town Meeting“ im Silicon Valley, dass das Internet von nun an eine zentrale Rolle spielen würde. Die Erklärung beinhaltete das festgelegte Ziel, dass digitale Netzwerke zukünftig die Grundlagenstruktur für Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft und Kultur bilden sollten. Die Europäer, bereits in den 90ern im IT – Sektor den USA und Japan hinterherhinkend, wurde bewusst, dass sie reagieren müssten, wollten sie in der Zukunft noch in der Weltgeschichte ein Wörtchen mitreden.
Technologischer Entwicklungsstand:
Datenübertragungsgeschwindigkeit 1993 mit einem Standard V.92 Modem: 33.4 Kbit/s – 56 Kbit/s.
Zwischen 1999 und 2000 entwickelte das kleines Unternehmen TV1.EU in der Nähe des Münchner Flughafens, parallel zu anderen Unternehmen weltweit, die Möglichkeit, bewegte Bilder live und „on demand“ ins Netz zu übertragen. Damals war dies noch eine revolutionäre Idee, die später von YouTube kommerziell äußerst effektiv ausgeschlachtet wurde. Die Rechenkapazitäten, die in diesen Tagen noch als notwendig erschienen, um zu „Streamen“, waren gigantisch und die Kosten ähnlich so hoch wie die, die für die Kameraausstattung aufgebracht werden mussten. Heute ist Streamen, das Übertragen vom Livebildern ins Internet, mit einem handelsüblichen Smartphone für ein paar Euro machbar. (Der Autor des Artikels war selber in der genannten Zeit als Manager bei TV1.EU aktiv beschäftigt).
Technologischer Entwicklungsstand:
Datenübertragungsgeschwindigkeit 1998 mit ISDN: 64 Kbit/s – (durch Bündelung) 2 MBit/s.
Dotcom Blase 2000 und Finanzkrise
Der Aufschwung des Internets begann zunächst zögerlich, im Besonderen aufgrund der äußerst limitierten Datenübertragungsgeschwindigkeit, und mündete in einem riesigen Crash an der Börse, als die „Dotcom Blase“ platze und viele Privatanleger Geld verloren.
Als „Dotcom Blase“ wird der Mitte der 90er einsetzende Hype um junge Internet – Unternehmen bezeichnet, die schnell an die Börse gingen, Investoren satte Gewinne bescherten, aber viel privates Kapital, auch deutsches Privatvermögen, vernichtete. Den Höhepunkt des Zusammenbruchs des sogenannten „Neuen Marktes“, so wurde der deutsche Tech – Index an der Börse bezeichnet, erlebten die meisten Anleger im März 2000. Viele Gewinnsuchende, darunter Familien, die ihre Privathäuser mit Krediten überzogen hatten, verloren teilweise ihr gesamtes Vermögen. Besonders in Deutschland war der Markt zuvor durch „falsche“ Meldungen mit geschönten Zahlen geprägt worden, was als kriminell einzustufen ist und viele Bürger um ihre hart erarbeiteten Ersparnisse brachte.
Beispielhaft für das Verbreiten von „Fakenews“ im Finanzsektor waren z.B. die Unternehmen „Infomatec“ und „Metabox“, die die Privatanleger mit falschen Ad – Hoc Meldungen, schnellen und gezielt platzierten Nachrichten, dem Konzept des „Guerilla – Marketing“ nicht unähnlich, täuschten.
Manch renommierter Zukunftsforscher sah nach dem Crash 2000 das Internet bereits wieder als gescheiterten Trend an. Sie alle irrten gewaltig. Im Besonderen die Möglichkeit selber Bewegtbilder durch das Netz zu jagen, und damit dieses Medium quasi aus den Händen einer technologischen Elite zu befreien, beflügelte die Verbreitung des Internets in einem ungeahnten Ausmaß.
Das gleiche Konzept wie beim Börsencrash 2000, nur in anderer Form, sollte sich während der Finanzkrise 2008 wiederholen, als Investmentbanken und Ratingagenturen in den USA „Immobilien- Ramschpapiere“ mit Bestnoten versahen und damit besonders in den USA Millionen Privatanleger, nachdem Großanleger ihr Kapital abgezogen hatten, um ihr Vermögen brachten. Dem Hype und der anschließenden Krise vorausgegangen war eine gezielt platzierte, zeitlich gut abgestimmte und destruktive Informationspolitik, die auch im Krieg zum Einsatz kommt, der Verwirrung dient und die die EU durch die „Griechenlandkrise“ fast in die Knie gezwungen hätte: in der modernen Marketingsprache „Guerilla-Marketing“ genannt.
Investoren, die gegen den Euro wetteten, haben sogar bewusst versucht medial Einfluss zu nehmen, um ihre eigenen Prophezeiungen wahr werden zu lassen. Als Griechenland 2012 durch den Eurorettungsschirm Beistand erhielt, bescherte das Scheitern dieser Wetten einigen Großinvestoren herbe Verluste. Einer davon war der Hedgefonds – Star Paulsen, der 2007 vor Ausbruch der Finanzkrise sagenhafte Gewinne für seine geleiteten Hedgefonds und dessen Anleger eingefahren hatte.
Kernelemente der Marketing - Strategie von Großanlegern basieren darauf, das Ziel zu analysieren, zu infiltrieren, zu verwirren, um dann zuzuschlagen und, wenn nötig, blitzschnell die Kapazitäten wieder abzuziehen.
Umgemünzt auf den Bürger, der sein Geld „schnell“ vermehren möchte, bedeutet das, dass man ihn mit nebulösen Gewinnprognosen täuscht, ihm „angeblich lukrative“ Investments verkauft und seine natürliche „Gier“ psychologisch nutzt, während man selber im selben Moment am Markt seine Anteile verkauft und damit bewusst maximalen Schaden des Privatanalegers in Kauf nimmt.
Die „Dotcom Krise 2000/01" wie auch die Finanzkrise 2008 wären ohne die massive Verbreitung von verwirrenden, schleierhaften und falschen Meldungen durch die Medien, 2008 verstärkt durch das Internet, in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen.
Technologischer Entwicklungsstand - Datenübertragungsgeschwindigkeit:
2005 mit DSL bis zu 8 MB/s 2018 mit Super Vectoring bis zu 250 MB/s
2004 mit UMTS bis zu 0,39 MB/s 2009 mit HSPA+ bis zu 42 MB/s
2011 mit LTE 150 MB (CAT4)/s
2017 mit LTE 4.5G (CAT11) Bis zu 1 GB/s
„Abu Musab az-Zarqawi schlachtet einen Amerikaner“.
Am 11. Mai 2004 schlachtete der Jordanier Abu Musab az-Zarqawi, Anführer der Al-Qaida Irak, aus der später der IS hervorging, vor laufender Kamera den US – Staatsbürger Nicolas Berg ab. Archaisch in Szene gesetzt, den blutenden Kopf noch in den Händen haltend, läutete die Terrorgruppe die Anfänge der Digitalisierung eines medialen Propagandakrieges ein, den wir heute als „Digitalen Asymmetrischen Krieg“ bezeichnen - oder, der Marketingsprache der Wirtschaft geschuldet, auch „Guerilla-Marketing“ genannt. Versuche, die virale Verbreitung des Videos auf entsprechenden Videoplattformen zu unterbinden, waren zwecklos. Die Daten befanden sich auf einem Server in Malaysia. Von 2004 an wurde die Methode Hinrichtungen medial zu verbreiten von verschiedensten dschihadistischen Gruppierungen, vom Kaukasus bis in den Irak, und besonders im Terrorkampf der USA gegen den Dschihadismus im Nahen Osten, aufgegriffen und ausgeweitet. Was zur Folge hatte, dass sich z.B. die Minderheit der Christen im Irak dramatisch verringerte. Hier zeigte sich im Besonderen, was die digitale Verbreitung der pervertierten Gewalt auslöste: das Video von der Enthauptung eines Einzelnen hatte zur Folge, dass Gemeinschaften aus Angst und ohne Widerstand zu leisten ganze Städte verließen. Jahre später sollte der sogenannte „Islamische Staat“ diese Art der Kriegsführung hollywoodreif in Szene gesetzt noch perfektionieren und damit Regionen einnehmen, ohne dass dabei ein Schuss gefallen wäre. Allein die pure Angst vor dem Gegner, nun verbreitet über Messenger – Dienste wie WhatsApp, reichte aus, um Bürger zur sofortigen Flucht zu veranlassen.
Technologischer Entwicklungsstand - Soziale Medien:
2004, Gründung Facebook – USA
2006, Gründung Twitter – USA
2007, Gründung YouTube – USA
Das Internet der bewegten Bilder
2007, im Gründungsjahr von YouTube und zum Höhepunkt des Terrorkrieges im Irak, einem Krieg, der von Bush Junior eigentlich am 01. Mai 2003 für beendet erklärt worden war, trat der Vizechef Al-Qaidas mit einer bemerkenswerten Aussage an die Öffentlichkeit. In einer von der politischen Landschaft der westlichen Welt unbeachteten Verlautbarung, wahrscheinlich hörten nur die Geheimdienste zu, kündigte einer der meistgesuchten Terroristen der Welt an, dass sich zukünftig der Konflikt (übersetzt) von der „Straße“ in die „Medien“ verlagern würde.
Damit ist nichts Geringeres gemeint als die Transformation des „Asymmetrischen Krieges“, territorial und temporär eingeengt, hin zu einem „Digitalen Asymmetrischen Konflikt“ bzw. das, was wir heute auch als „Medien – und Propagandakrieg“ bezeichnen.
Im darauffolgenden Jahr, am 16. März 2008, veröffentlichte der Verfassungsschutz einen interessanten Bericht über die Enttarnung einer „Terror Uni“ im Netz, die allen Interessierten Informationen zum Thema Waffenkunde, Bombenbau, Guerillakampf usw. zur Verfügung stellte.
Eine „digitale Lehrstätte“ um Massenmorde zu begehen, wenn man so möchte. Oder einfach nur das Vermitteln der Grundlagen für den „Analogen Asymmetrischen Krieg“ in Verbindung mit dem „Digitalen Asymmetrischen Krieg“. Die Fusion beider Arten wäre dann als „Hybrider Krieg“ zu bezeichnen.
Hochinteressant zur genannten Entwicklung war die Aussage des damaligen und immer noch amtierenden bayerischen Innenministers, Joachim Herrmann.
Zitat/16.03.2008 – Die Welt Online:
„… Lehrer und Schüler tauschen dort einschlägiges Fachwissen aus…“, so Herrmann.
Ergänzend folgten die Sätze:
„…Weil Islamisten die modernen Medien für Propaganda und Informationsaustausch intensiv nutzen, verschwimme die Grenze zwischen Al–Qaida Sympathisanten und den Aktivisten des Terrors.“
Mit dieser Aussage traf Herrmann einen wesentlichen Aspekt der Digitalisierung: bedingt durch die Möglichkeit Daten, Wissen, Bombenanleitungen, Videos… jedem zugänglich zu machen, wurden auch der politische und der ideologische Konsens hinter einer Sache (im Arabischen „Dahwa“ genannt), einer Ideologie, einem Produkt von den Fesseln der Kontrolle befreit und einer viral – digitalen Welt übergeben, die sich auf den Weg machte, sich zu verselbstständigen.
Technologischer Entwicklungsstand - Messenger:
2009, Gründung WhatsApp, Übernahme 2014 durch Facebook
2013, Gründung Telegram – Russland, Server außerhalb der USA
2014, Gründung Signal – USA , Server USA, Nachrichten werden gelöscht
Smartphones, Messenger und die Revolution
2010, nur 10 Jahre nach der Dotcom Blase, war es dieses technische Fundament, welches sich aus der Asche der einst gecrashten IT Start Ups formiert hatte, das den Umwälzungen im Nahen Osten das digitale Rückgrat lieferte. Ohne Facebook, Twitter, Messenger, Smartphones und der exponentiell gestiegenen Rechenleistung wäre es einer jungen Generation gar nicht möglich gewesen, sich blitzschnell und unter dem Radar der Nachrichtendienste autoritärer Regime zu bewegen.
Der Arabische Frühling bewegte sich Richtung Syrien. Die Koordination verschiedenster Gruppierungen, 2013 ging man von ca. 3000 – 4000 Gruppierungen aus (Analyse IHS - Markit), wäre ohne Messenger Dienste niemals, zumindest nicht in diesem Umgang, möglich gewesen. Weder das Assad Regime noch die verschiedenen Gegenspieler hätten ohne das Internet, egal ob mobil oder über Kabel, den Krieg in dieser Art und Weise koordinieren können, wie man es in Syrien gesehen hat. Flankiert wurde der Konflikt von massiven Fakenews, Propagandameldungen und brachialen Inszenierungen realer Gewalttaten, die nur noch von den hochprofessionellen Inszenierungen des sogenannten „Islamischen Staates“ überflügelt wurden und über YouTube und Co. Zugang in die Köpfe und Kinderzimmer der westlichen Gesellschaft fanden.
Angekommen im Jahr 2014, mitten in der Geburtsstunde des IS, hätte uns bewusst werden müssen, dass spätestens jetzt die alte Strategie der Mongolen, durch Abschreckung den Gegner zu täuschen, zu spalten, zu ängstigen, zu verwirren, zu polarisieren oder einfach dazu zu bringen Lügen zu glauben, um z.B. Wahlen zu gewinnen, von territorialen und temporären Grenzen entkoppelt ist.
2014 wurde mit dem „Digitalen Dschihad" des IS, der „Pop – Dschihad“, eine neue Eigenart des „Digitalen Asymmetrischen Krieges“, eingeläutet, die teilweise, um ein junges und vorwiegend männliches Klientel für sich zu gewinnen, in Gestik und Ästhetik einem 3D Computer Shooting – Spiel nachempfunden war. Eine Darstellung, die bewusst von den Marketing Strategen des IS, die meisten davon ehemalige Geheimdienstmitarbeiter des Saddam – Regimes, gewählt wurde, um besonders im Westen junge Männer für den Kampf für „Das Gerechte“, gegen die Tyrannei des Imperialismus und der Ungläubigen, zu mobilisieren. Einfacher ausgedrückt könnte man auch plakativ behaupten, dass man junge Männer mit den Versprechen lockte, live ein „3D – Killer – Computer- oder Playstationspiel“ nachzuspielen. Folgerichtig spricht man auch von der „Generation Playstation“, die in den Dschihad zog und vorher digital indoktriniert wurde, was auf einen Großteil westlicher Kämpfer zutrifft, die für die „Glorreiche Sache“, die „Dahwa“ (arabisch: Sache), in den Dschihad zogen.
Technologischer Entwicklungsstand - Technologische Meilensteine:
2001 Glasfasernetz bis zu 1 GB/s, erst ab 2016 (75 % aller Haushalte) flächendecken verfügbar
2007 Vorstellung des iPhones und dem revolutionären Touchdisplay
Ab 2000 – Entwicklung minimalistischer Sensoren wie z.B. Drucksensoren, Magnetsensoren oder Lichtsensoren, die die Funktionalität von Smartphones und ähnlichen High – Tech Produkten, aber auch hochsensiblen Drohnen, erst möglich machten.
Die Digitalisierung der Politik
2016 geschah in den USA etwas, was niemand für möglich gehalten hätte: ein Außenseiter, Milliardär, Geschäftsmann mit einem starken Hang zu aggressiver Rhetorik, ging als einer von mehreren Kandidaten der Republikaner ins Rennen um das Weiße Haus - und wurde, was kaum jemand für möglich gehalten hatte, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
Doch wie hat er das Kunststück vollbracht?
Wie schaffte es jemand, der politisch kaum Erfahrung hatte, der mächtigste Mann der Welt zu werden?
Nun, er bediente sich einer alten militärischen Taktik, die vielen Unternehmern geläufig ist und als „Asymmetrische Kriegsführung“ bezeichnet wird. Im Fall der Präsidentschaftswahlen 2016 sprechen wir dann auch fachgerecht vom „Digitalen Asymmetrischen Krieg“ beziehungsweise der „Digitalen Guerilla – Marketingstratgie“.
Während des Wahlkampfes 2016 veröffentlichte Trump 4224 Meldungen in den sozialen Medien, vorwiegend über seine Lieblingsplattform Twitter. Darunter Meldungen, die nachweislich nicht der Wahrheit entsprachen, Aussagen, die vieles offen ließen, sowie Anschuldigungen, die ebenfalls als unwahr betrachtet werden können. Heruntergerechnet waren das 11,73 Meldungen pro Tag. Eine ziemlich hohe Taktzahl, die die Art wie Wahlkämpfe geführt werden immens veränderte und eigentlich von allen Politikern weltweit, besonders in Mitteleuropa, klar und deutlich hätte analysiert werden müssen.
Im Jahr 2017 folgten 2593 Meldungen. Die meisten davon ebenfalls über Twitter.
2018 erfolgte eine Steigerung auf 3557.
Die Zahlen sind übrigens für jeden auf dem Portal „http://www.trumptwitterarchive.com/“ einsehbar.
Flankiert wurde der Wahlkampf 2016 durch digitale Eingriffe von außen, die ebenfalls dem Asymmetrischen Krieg zuzuordnen sind. Nichts weiter machen Trolle oder Bots, die auf Facebook zu einer Blasenbildung führen und bewusst Meinungen manipulieren.
Konflikte und Gegenkonflikte, egal ob nun politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder militärischer Natur hatten ein Ausmaß erreicht, welches für viele unvorstellbar war und dennoch prophetisch das erfüllte, was Al-Qaida Vize-Chef Sawahari 2007 verkündet hatte.
Er hat Recht behalten.
Bestätigt wurde diese Tatsache 2017 beim Websumit 2017 in Lissabon, Portugal, bei einer der wichtigsten Tech – Konferenzen weltweit, wenn es um Künstliche Intelligenz und Clouddaten geht, von keinem geringeren als Jared Cohan (der Autor des Artikels war aus beruflichen Gründen persönlich vor Ort bei der Pressekonferenz). Während einer der vielen Pressekonferenzen, die live über YouTube übertragen wurden, sagte Cohan, einer der gewichtigsten politischen Berater der USA - er beriet unter anderem Condoleezza Rice und Hilary Clinton, war CEO bei Google Ideas und konzentrierte sich im Laufe seines späteren Werdegangs auf den digitalen Terrorismus im Nahen Osten - etwas Bemerkenswertes, was jeden Politiker der westlichen Welt aufhorchen lassen sollte.
Er begann seine Ansprache, untermalt mit einem poplastigen und grandios inszenierten Video, im Abspann ein Bild eines IS – Kämpfers zu sehen, mit den Worten:
„… We all are ISIS“ – Wir alle sind ISIS (Minute 4:15)
Cohan spielte auf die bittere Gegebenheit an, dass eine große Zahl heutiger Konflikte, bedingt durch die Nutzung multipler Identitäten, den sozialen Medien und dem Smartphone als Schnittstelle zum digitalen Kriegsschauplatz, ihren Ursprung im Cyberspace haben und eine fatale Auswirkung auf das reale Leben entfalten.
Und bestätigte damit nochmals das, was der Al-Qaida Vize 2007 angedeutet hatte: die Verlagerung der Konflikte in die digital - mediale Welt, mit weitreichenden Folgen für die reale Welt.
Jedem Politiker, unabhängig von der Partei, der sich auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten möchte, ist dieses 22-minütige Video, welches unter dem Titel „Web Summit 2017 – How to prevent a cyberwar“ auf YouTube zu finden ist, wärmstens und im eigenen Interesse zu empfehlen.
Technologischer Entwicklungsstand - Entwicklung der Prozessorleistung:
2010 Intel Core i7 – 2.270.000.000 Transistoren auf einem Chip – Handelsüblicher PC
2017 AMD Epyc – 19.200.000.000 Transistoren auf einem Chip – Handelsüblicher PC
2016 Apple A10 Fusion – 3.300.000.000 Transistoren auf einem Chip – Handelsübliches Smartphone
2018 Apple A12 Bionic – 6.900.000.000 Transistoren auf einem Chip – Handelsübliches Smartphone
Anzahl der Transistoren, und damit die effektive Rechenleistung, steigt exponentiell, während die Preise für Chips dramatisch fallen.
Die Zerstörung der „alten“ Politik
2019 erscheint kurz vor der Europawahl, taktisch klug gewählt und der Strategie des „Digitalen Guerilla-Marketings“ entnommen, ein Video mit dem Titel: „Die Zerstörung der CDU“.
Die Art und Weise der Inszenierung war und ist eine Spielart des „Digitalen Asymmetrischen Krieges“, dessen wirtschaftliche und gesellschaftliche Marketingstrategie als stichartiger und punktueller Angriff im digitalen Raum in Szene gesetzt wurde, perfekt abgestimmt, um maximalen Schaden anzurichten.
Die Antwort der CDU war dermaßen laienhaft, dass sich wahrscheinlich ein Großteil der politisch interessierten jungen Generation, die mit den digitalen Medien groß geworden ist, vor Lachen kaum mehr halten konnte oder peinlich berührt (CDU/CSU Anhänger), digital wie auch real, dauerschämten.
Technologischer Entwicklungsstand - Entwicklung Datenströme:
1996 GSM Netz, 0,2 Mbit/s
2020 5G Netz, 10 GBit/s oder 10.000 Mbit/s
Innerhalb von 24 Jahren Vervielfachung der mobilen Übertragungskapazitäten um das 50.000 fache.
Die „neue Politik“ – Ausrichtung in die bevorstehende Zukunft
5G zündet die nächste Stufe der digitalen Revolution. In der Gänze entfaltet sind Übertragungsmöglichkeiten vorhanden, von denen man bisher vielleicht nur in Science Fiction Romanen gelesen hat, aber bald Realität werden. Neben dem „Internet der Dinge“, was wirtschaftlicher Natur ist, wird sich auch die Art und Weise wie wir kommunizieren dramatisch ändern.
Eventuell werden in naher Zukunft Wahlveranstaltungen der „etablierten“ oder „neuen“ Parteien in einem virtuellen Raum zelebriert, in dem sich junge Politikinteressierte mit ihrem Avatar einloggen können und den Politiker der Zukunft virtuell mit Problemen konfrontieren, die äußerst real sind.
Aber vielleicht werden sich die etablierten Parteien, wenn man die teilweise zurückhaltende Reaktion auf die Digitalisierung und dem damit verbunden digitalen – asymmetrischen Wahlkampf der Zukunft betrachtet, in einer völlig neuen Parteilandschaft agieren, die die Vergangenheit hinterfragt und völlig neue Konzepte entwickeln muss, um den Wähler noch erreichen zu können.
Eine Demokratie 2.0 eben.
Unabhängig davon wie Politiker weltweit die Digitalisierung nutzen, ist eines gewiss: nämlich die Tatsache, dass das, was die Mongolen 1251 in Bagdad anrichteten, durch die nächste Stufe der Digitalen Revolution einen virtuellen Schauplatz mit ungeahnten Möglichkeiten erhält, von dem jeder Terrorfürst in der Vergangenheit nur hätte träumen können…
Doch ist dieser Traum inzwischen zur endgültigen Realität geworden.
Simon Jacob