Simon Jacob: Geheimakte Asyl – Das neue Buch von Stefan Meining
Bevor ich zu diesem für mich ungewöhnlich ehrlichen Buch, welches mich dazu veranlasst hat mit ziemlich viel Wut im Bauch um Mitternacht noch diese Zeilen zu verfassen, eine Rezension schreibe, soll einiges zu meinem Verhältnis zum Buchautor gesagt werden.
Dr. Stefan Meining kenne ich seit nunmehr bald acht Jahren. Gemeinsam waren wir in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens und manche Abenteuer lassen uns nach all den Jahren, trotz der damaligen Risiken und auch Gefahren die wir eingegangen sind, immer wieder schmunzeln. Ab und zu verfallen wir einigen Anekdoten und Erinnerungen über den dümmsten Schmuggler der Welt oder den Clanführer mit den zehn Kindern, der extra viel für das Passieren über die grüne Grenze wollte, um seinen Nachwuchs ernähren zu können.
Doch auch traurige, grauenvolle und unsagbar schlimme Erfahrungen verbinden mich mit diesem Menschen, den ich zur wertschätzen gelernt habe. Ich habe von ihm auch viel, sehr viel gelernt. Anfangs machte mich seine Art bohrende Fragen zu stellen, nach den Fakten zu fragen, jedes noch so kleine Detail zu hinterfragen, auszuwerten und fast schon wie besessen in seine Einzelteile zu selektieren, fast wahnsinnig. Ganz abgesehen von seinem Beobachtungsvermögen in gefährlichen Situationen, in denen der Autor dieses Buches lieber in Kauf nahm einen mit Kosten verbundenen Drehtag abzubrechen, als ein zu hohes Risiko einzugehen.
Kurzum, Dr. Stefan Meining ist Rationalist, Technokrat und detailversessen - und brachte mich in der ersten Zeit unseres Kennenlernens manchmal zur Verzweiflung. Doch lernte ich von ihm. Ich kann sogar behaupten, dass er einer der wenigen Journalisten ist, und ich bin vielen begegnet, der mich intensiv, indirekt, geschult hat und, ob nun beabsichtigt oder unbeabsichtigt sei dahingestellt, mich auf meine Aufgaben als Journalist und Autor vorbereitete, wie es kein Studium wahrscheinlich hätte vollbringen können. Es war eben die harte Schule in der Praxis, in der ich lernte. Und so musste ich auch mit der faktenorientierten und rationalen Art klarkommen, gepaart mit einer fast schon übertriebenen Nüchternheit, mit der Meining sein aktuelles Werk verfasst hat. Damit kommen wir auch zur Wut in meinem Bauch zurück, die mich nicht schlafen lässt und den Restbestand des Orientalen in mir, der nun einmal ebenfalls in mir steckt, emotional aufwühlt und der das Buch am liebsten mit Wucht in die Ecke geworfen hätte. Da ich eine E-Book Version habe und ein neues Gerät kostspielig gewesen wäre, habe ich mich jedoch gezügelt und mich wieder der rein rationalen Sichtweise mitteleuropäischer Prägung untergeordnet, und verfasse nun eben diese Zeilen.
Und wenn ich das tue, dann nicht deswegen, weil ich auf den Autor wütend bin. Nein, dieser ist nur der Überbringer einer Botschaft, welche eigentlich, als Nachtlektüre betrachtet, totlangweilig ist, da sie nur mit Daten, Analysen, richtigen Schlussfolgerungen und komplexen, aber dennoch nachvollziehbaren Zusammenhängen, vollgespickt ist.
Nein, das war nicht der Grund für meinen Wutausbruch kurz vor Mitternacht, als ich die letzte Seite verinnerlichte. Das, was mich nicht mehr schlafen ließ, war die Tatsache, dass hier auf einigen wenigen Seiten eine der größten Gefahren für die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und auch Europas seit dem Ende des Kalten Krieges beschrieben wird. Akribisch wird die Flüchtlingskrise mit all ihren Extremen, Auswüchsen, dem komplexen Sachverhalt, tonnenweise untermalt mit Dokumenten, der grenzenlosen Irrationalität deutscher ganz und gar nicht rational agierender Politik entgegengestellt, die, wenn nicht zum Brexit führte, so doch diesen beflügelte und Populisten wie auch Extremisten zu den Gewinnern dieses naiven Handelns seitens der Politik machte. Getragen von euphorischen Medien und Teddybär schwingenden Menschen an den westlichen Bahnhöfen dieser Republik, sollte die Bewältigungskrise als eine „Never – Ending – Märchen – Story“ in die Annalen deutscher Geschichte eingehen und zwölf Jahre Nazidiktatur hinwegfegen.
Doch ernüchternd ist die Tatsache, dass Menschen, die die Grenze zur EU passieren, Gewohnheiten nicht einfach so ablegen, kulturell – gesellschaftliche Clanstrukturen nicht gegen demokratische Werte eintauschen und eine Frau, die sich figurbetont kleidet nicht unbedingt als das Idealbild der Frau betrachten, so wie man es in der Heimat kennt. Und natürlich gab es, gibt es und wird es auch weiterhin unter Flüchtlingen Kriminelle geben, die nicht unbedingt das Leben eines Engels in der neuen Heimat leben wollen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, und das wahr in all den Jahren vorherzusehen, dass kulturelle, ethnische wie auch religiöse Spannungen in einem säkularen Kulturraum hineingetragen werden und die hiesige Bevölkerung nicht nur belasten, sondern auch, weil zutiefst fremd, ängstigen und einen Teil der Bürger dazu veranlassen Populisten zu wählen, die eben mit jener Angst spielen. Dies übrigens zum Nachteil der vielen Geflohenen, die tatsächlich schutzbedürftig sind und sich nach einem Leben in Sicherheit sehnen.
Doch eben jene Sicherheit ist gefährdet und es ist Heuchelei, was den Bürgern von den Politikern aller Parteien vorgegaukelt wurde - schließlich gab es ja immer irgendwo Wahlen, die man gewinnen wollte. Fatal erwies sich die denkwürdige Einschätzung, dass terroristische Gruppierungen wie der IS Flüchtlingsrouten nicht nützen würden, um Anschläge zu verüben. Sie taten es doch.
In diesem Zusammenhang kann ich nur jedem empfehlen, der gewillt ist die rosarote Brille abzusetzen, sich den Zeilen des Autors zu widmen und beende meinen mitternächtlichen Wutausbruch mit den Gedanken an ein klischeehaftes Schlagwort von Emanuel Geibels, welches mir einst mein Geschichtslehrer mit auf den Weg gab.
„Am deutschen Wesen mag die Welt genesen.“
Doch müsste zunächst das deutsche Wesen genesen und wieder zu Vernunft und Rationalität zurückkehren, ohne immer nur der nächsten kuschelwarmen, einlullenden und Wahlerfolg versprechenden Schlagzeile in den Medien zu folgen.
12 Jahre Nazidiktatur sind vorbei, Deutschland! Lerne daraus und bewahre es immer in Deinem kollektiven Gedächtnis.
Doch setze die Sicherheit Europas nicht aufs Spiel, nur weil Du der Meinung bist, dass die Bürger damit nicht klarkommen. Glaube mir, liebes Deutschland, gerade eine junge Generation, in einer globalen und hochdigitalisierten Welt angekommen, kommt damit klar, ist sich der historischen Tatsachen bewusst und lernt daraus.
Wäre dem nicht so, wäre ich auch niemals dem Autor dieses Buches begegnet, der sich wie ich, als Sohn von Flüchtlingen und Migranten der ich bin, mit dunkler Haut, braunen Augen und nahöstlichem Aussehen - ab und zu trage ich sogar einen langen Bart - Sorgen um die Zukunft und den Frieden Europas macht.
Viele von uns sind einst geflohen und haben kein sicheres Zuhause außer dieses „Europa“, welches Sicherheit, Gerechtigkeit, Zukunft und Frieden all jenen bietet, die es ernst meinen und einfach nur frei und ohne Ängste leben wollen.
Das ist Europa für mich und Millionen anderer, die aus dem Nahen Osten vor Regimen und Extremisten, die zwei Seiten von ein und derselben Medaille bilden, geflohen sind.
Simon Jacob
Buchtipp:
Seit Jahren reist Simon Jacob durch Länder wie Syrien, Irak oder Iran. Als Angehöriger eines wichtigen Clans gelangt er an Orte, die für andere nie zugänglich waren. Dort spricht er mit Menschen, immer auf der Suche: der Suche nach Frieden, auch seinem eigenen Inneren. Seine Reise schildert auch die Schrecken dieser Kriegsgebiete. Aber mehr noch zeigt dieses Buch, dass und wie Friede wirklich möglich ist. Eine Botschaft, die vor allem in diesen Tagen Mut und Hoffnung macht und motiviert, zu kämpfen für eine bessere Zukunft und für etwas, was Simon Jacob ausgerechnet im Irak und in Syrien wiedergefunden hat: Menschlichkeit.
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